„Demokratie.fest“: Kultur, Kochen, Singen und Geschichten von Geflüchteten
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Wie bunt und vielfältig Rottweil ist, das zeigte einmal mehr das „Demokratie.fest“ am Samstag. Das Bündnis „Rottweil bleibt bunt“ hatte in rekordverdächtiger Zeit ein tolles Programm auf die Beine gestellt, und das lockte viele Besucher in die Stadt.
In der Wärmestube konnten sich Kinder – und auch Ältere – schminken lassen und sich über Fakten zum Bürgergeld informieren, die im Wahlkampf gerne sehr einseitig dargestellt wurden. Im Weltladen gab es Texte von Menschen, die in Belarus inhaftiert sind, darunter der Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa. Sie handelten von Folter, von menschenverachtenden „zombifizierten“ Gefängniswärtern in Lagern, aber auch vom unbändigen Mut der Oppositionellen und von Maria Kolesnikowa, die es irgendwie schafft, trotz all der Erniedrigung ihren Mithäftlingen Hoffnung zu geben.
Eingeladen hatte die Bürgerinitiative für eine Welt ohne atomare Bedrohung, deren Vorsitzende Angela Gessler berichtete, wie der belarussische Diktator Lukaschenko auch dafür sorgen ließ, dass die Arbeit der Gruppe, die sich auch um die Opfer der Atomkatastrophe von Tschernobyl kümmert, nur noch im Geheimen stattfinden kann. Und ja, auch dort fürchte man einen Rechtsruck in Deutschland, denn dort bekomme man täglich die Folgen einer autoritären Regierung zu spüren. „Unsere Freunde sind in ständiger Gefahr“, so Angela Gessler. Im Café Känzele lasen die „Omas for Future“ Texte von Cordula Weinmann unter dem Motto „Handeln“, und der Verein ehemalige Synagoge zeigte die Spuren jüdischen Lebens in Rottweil.
Wie er den langen Weg von Afghanistan nach Deutschland zu Fuß geschafft hat, davon erzählte ein junger Mann in der „Küchenschelle“. Er hat inzwischen Arbeit und eine Familie, doch auf ein dauerhaftes Bleiberecht wartet er immer noch, darf seine Partnerin und Mutter der beiden gemeinsamen Kinder nicht einmal heiraten. Die Berichte von der Perspektivlosigkeit junger, gebildeter Menschen, vor allem die brutale Unterdrückung der Frauen beeindruckte die Zuhörer. Die Machthaber, erzählte er, hätten Angst davor, dass die Frauen sich wie im Iran gegen das Regime stellten. Auf die Frage, ob die Taliban hinter den Anschlägen in Deutschland, Österreich und jetzt Frankreich steckten, stellte er klar: Die Taliban, die jetzt in Afghanistan regierten, seien in Russland oder auch den USA ausgebildet und darauf erpicht, von westlichen Ländern anerkannt zu werden. Nein, diese Attentäter würden von anderen angestiftet. Welche, das ließ er offen. Auch eine Migrantin aus der Ukraine erzählte von ihrem Leben, dazu konnte, wer wollte, den „Secco Sociale“ genießen.
Auf dem Münsterplatz boten die Kirchen einen Privilegien-Walk: Jeder Mitspieler stellte eine Person dar, von der Reinigungskraft aus Rumänien über den Ingenieur aus Ghana und der Alleinerziehenden bis zum Lehrer evangelischen Glaubens, die dann Fragen wie „Können Sie problemlos ein Familienfest in ihrem Heimatort besuchen?“ , ein Studium aufnehmen, spontan ins Theater gehen oder sich nachts in öffentlichen Verkehrsmitteln sicher fühlen. Das Soolbad präsentierte sich mit seinem neuen Club, der ein offener Ort für Begegnung und Kultur, für Austausch und gemeinsames Tun und ein solidarisches Miteinander sein möchte. Dabei konnten die Besucher gleich mitmachen, beim Singen mit Lynda Cullen, beim Kochen und Basteln, bei Kaffee und Kuchen und vielen guten Gesprächen, ganz im Sinne des Clubs: inklusiv, farbenfroh, offen und divers. Im Zimmertheater gab´s abends Musik und Literatur unter anderem von Tom Kaminsky und Thomas C. Breuer, anschließend konnte man im Café Känzele und mit DJ Bernie bis spät in die Nacht das Tanzbein schwingen.